30.06.2023
Tag 23 unserer Reise – Ewan Hydrothermalfeld
Der Wind hat sich tatsächlich in der Nacht gelegt, sodass am Morgen das ROV ausgesetzt werden kann. Wir wollen das Ewan Hydrothermalfeld erkunden. Dieses wurde 2006 entdeckt. Es liegt in 1.770 m Wassertiefe etwa 225 Seemeilen südwestlich der Azoren und gut eine Seemeile südlich des Lucky Strike Hydrothermalfeldes. Beschrieben wurden für Ewan Muschelfelder im Bereich von Austrittsstellen diffuser Fluide, Schwarze Raucher finden sich hier nicht.
Wieder treffen wir uns im Universallabor, um den Tauchgang auf der Leinwand zu verfolgen. Am Meeresboden angekommen, sehen wir eine komplexe Abfolge von Rücken und Tälern. Die langgestreckten „Bergrücken“ sind aus vulkanischem Gestein aufgebaut, blockige Lava wechselt mit Asche-artigem körnigen Material. Die Rücken erheben sich einige Meter über den Tälern. In diesen ist der Meeresboden häufig von Sediment bedeckt. Die Hänge sind steil. Von eben solchen Hängen sind die Muschelfelder beschrieben worden. Ausgerüstet mit den Meeresbodenkarten der französischen Kooperationspartner machen wir uns auf die Suche.
Auf unserem Weg tauchen plötzlich große weiße Chimären auf. Bisher haben wir immer nur einzelne Exemplare gesehen, jetzt sind es erst zwei, dann drei, am Ende sind es acht oder zehn Tiere. Ein sehr ungewöhnliches Bild, so hören wir von Ana.
Bald schon wird unsere Suche belohnt, ein Muschelfeld taucht in der Ferne auf, zunächst als weißlich-gelblicher Fleck. Als wir uns nähern, erscheinen vor unseren Augen ganz neue spannende Bilder. Ein steiler Hang ist mit Lavabrocken ganz unterschiedlicher Größe übersäht, es ähnelt einem Bergsturz. Die Gesteinsbrocken sind komplett von Muscheln überwachsen. Zumeist sind es eher kleine, junge Tiere, nur wenige Zentimeter lang, mit gelblicher Schale. Am Rand der größeren Gesteinsbrocken sitzen auch größere Muscheln, sie haben eine etwas dunklere braune Schale. Zwischen den Lavabrocken liegt körniges Sediment, sehr wahrscheinlich ebenfalls vulkanischen Ursprungs. An verschiedenen Stellen treten warme Fluide aus, das sogenannte shimmering water. Direkt an den Austrittsstellen bewegen sich kleine weiße Shrimps. Und auch die größeren Krebse fehlen nicht. Aber noch etwas anderes fängt unseren Blick ein. Auf einer großen Fläche sind alle Lavabrocken mit einem weißen „Pelz“ überzogen. Es sind Bakterien, wie Haare bewegen sich die dünnen Fäden in der Strömung. Auch viele Muscheln sind von diesen Bakterien dicht überwachsen. Und das körnige Sediment wird ebenfalls an manchen Stellen von den Bakterien überwuchert. Dies ist wieder ein idealer Ort für unsere Untersuchungen. Wieder sorgen das Geschick und die Erfahrung der ROV-Piloten für eine erfolgreiche Probenahme.
Über den Tag beproben wir noch an weiteren Stellen andere Muschelfelder, sodass am Abend wieder geschäftiges Treiben in den Laboren herrscht. Nach meinen eigenen Messungen schaue ich beim Symbiose-Team ins Labor, bekomme einen Einblick in deren Arbeiten, die bereits an Bord gemacht werden müssen. Der Begriff des Einblicks ist dabei wörtlich zu nehmen, denn von Interesse sind die Kiemen im Inneren der Muscheln. Hier sitzen die symbiontischen Bakterien, welche die chemischen Inhaltsstoffe der hydrothermalen Fluide für ihren Stoffwechsel benötigen. Jede Muschel wird aufgeschnitten und das Innere präpariert. Zahlreiche Teilproben werden für verschiedenste Untersuchungen genommen, in unzählige Röhrchen aufgeteilt und bis zur weiteren Bearbeitung in Bremen eingefroren. Ziel der Untersuchungen des Teams ist es, die genetischen Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der Muscheln bzw. der Bakterien von den verschiedenen Hydrothermalfeldern herauszuarbeiten. Bis dahin gibt es aber an Bord noch viel zu tun, und so wird in diesem Labor das Licht noch lange brennen.
Aber auch an anderer Stelle herrscht noch Geschäftigkeit. Derzeit hängen wieder die in-situ-Pumpen in der Wassersäule und filtrieren über einige Stunden Partikel aus dem Wasser für mikrobiologische Untersuchungen. Und Ana und Anke sind auch noch fleißig.