Meteor – 09.06.2023
Hallo und beste Grüße von der Meteor. Es ist 06:20 morgens (in Deutschland ist es bereits 07:20). Der Mond scheint am fast wolkenlosen Himmel und spiegelt sich im Meer. Nur langsam kündigt sich der Morgen an; wenn ich über das Heck in östliche Richtung schaue, ist der Himmel schon etwas heller. Es ist der zweite Tag unseres Transits bis zum ersten Arbeitsgebiet. Der Kurs ist 280 Grad, also fast genau nach Westen. Derzeit befinden wir uns ungefähr 50 Kilometer nördlich der Kanaren-Insel La Palma. Im Dunkeln blinkt regelmäßig ein Leuchtturm.
Wir sind gestern in Las Palmas auf Gran Canaria an Bord der Meteor gegangen und nun auf unserem Weg zu den heißen Quellen der Tiefsee, auf dem Weg zum Mittelatlantischen Rücken. Der Mittelatlantische Rücken ist ein untermeerisches Gebirge. Er ist Teil des längsten Gebirges der Welt, das sich mit einer Gesamtlänge von etwa 60.000 Kilometern durch alle Ozeane hindurchzieht. An diesen sogenannten Mittelozeanischen Rücken steigt immer wieder Lava aus dem Erdinneren auf und bildet neuen Ozeanboden. Solche Mittelozeanischen Rücken werden gerne als die feurigen Nahtstellen der Ozeane bezeichnet. Durch die Bildung neuen Ozeanbodens entfernen sich die Kontinente voneinander. Hier im nördlichen Atlantik sind es etwa 2-3 Zentimeter pro Jahr; um diesen Betrag entfernen sich also Nordamerika und Europa voneinander. Aber dies geschieht sehr unregelmäßig, fast „ruckartig“ und ist dann von kleineren Erdbeben begleitet. Die Gipfel des Mittelatlantischen Rückens liegen im Durchschnitt zwischen 2.500 und 3.000 Metern Wassertiefe, in unseren künftigen Arbeitsgebieten aber auch bis in eine Wassertiefe von nur 800 Metern. Der Mittelatlantische Rücken selbst erhebt sich aus der Tiefseeebene, die in 4.000 bis 5.000 Metern Wassertiefe liegt.
Die Kanarischen Inseln vor der Nordwest-Küste Afrikas waren der Startpunkt für unsere Fahrt zum Mittelatlantischen Rücken. Es sind Vulkaninseln, der letzte Vulkanausbruch auf La Palma im vergangenen Jahr hat dies sehr deutlich gemacht. Die einzelnen Inseln erheben sich vom Meeresboden in die Höhe. Mit 3.718 Metern Höhe ist der Pico de Teide auf Teneriffa der höchste Berg der Kanarischen Inseln. In 50 Kilometer Entfernung vom Inselinneren Teneriffas liegt der Meeresboden bereits in 3.500 Metern Wassertiefe. Damit wäre der Pico de Teide eigentlich ein stattlicher 7.000er!
Zwei Kolleginnen von den Azoren bzw. aus Lyon haben uns am Nachmittag mit ihren Vorträgen die Arbeitsgebiete näher gebracht. Zahlreiche Bilder und Videos von den Ventsystemen am Meeresboden und ihrer jeweils speziellen Lebewelt haben unser Interesse geweckt, und erste Fragestellungen für unsere eigenen Arbeiten wurden formuliert.
Inzwischen ist es Abend geworden. Das Schiff folgt dem westlichen Kurs, der Sonne entgegen. Ruhe kehrt ein an Bord der Meteor.